Bilchtour 2013 im böhmischen Mittelgebirge – ein Gastbeitrag



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Nunmehr bereits zum zweiten male war ich geladen, das alljährliche wiederkehrende Naturschauspiel der Bilchtour ganz aus der Nähe mitzuerleben. Ich möchte hier das Erlebte einmal durch die Brille eines Gasts Revue passieren zu lassen.

Da im Jahre 2013 die Vermehrungsrate der Bilche außergewöhnlich hoch und damit die Termine knapp waren, fiel die Wahl auf das zweite Wochenende im April. Falls Ihr Euch erinnert – bis ziemlich genau zu diesem Zeitpunkt herrschte in unseren Breiten der Winter, so dass bereits ein wenig Ratlosigkeit herrschte, was man denn bei geschlossener Schneedecke so machen könne. Um genau zu sein, war nur ich ratlos – der Bilch tauft das Event einfach in Gourmetbiwak um und zieht los. Wie dem auch sei – das Wetter wurde ganz passabel; der Schnee schmolz rechtzeitig dahin.

Also traf man sich traditionell am Freitag nachmittag auf dem Dresdner Bahnhof und bestieg den Zug Richtung Usti nad labem. Als große Sensation galt, das Bilch Matze sowohl als Erster als auch am richtigen Ort da war ;-). Da allgemein bekannt war, dass an selbigem Tag noch ein wenig Fußmarsch vor uns lag, versuchte man, die mitgebrachten Vorräte an nicht-alkoholfreien Kaltgetränken möglichst bereits im Zug zu vernichten und somit das Marschgepäck zu entlasten. Nach einer vergnüglichen Fahrt bis Usti hieß es nach dem Erwerb der lokalen Währung und einer Auswahl tschechicher Wurstspezialitäten „Umsteigen in den Bus“, der uns mit forscher Fahrt elbaufwärts bis nach Sebuzin an der Elbe führte.

Dort angekommen wurde der Varhošť (deutsch Aarhorst, 639 m) als erstrebenswertes erstes Ziel auserkoren und der Weg dahin in Angriff genommen. Durch den recht langen Winter erwies sich der Untergrund als einigermaßen schlammig; teilweise waren die Wege auch noch vergletschert, so dass der Weg dann doch einigermaßen beschwerlich war. Trotz alledem und auch trotz des zwischenzeitlichen Verlusts 3er Bilche, die offensichtlich eine Abkürzung gefunden hatten, traf man sich auf dem eben benannten Hügel, der von einem interessant anmutenden Mobilfunkmast samt Aussichtsplattform gekrönt ist. Da die Infrastruktur also stimmte (Handyempfang lag an, Tisch und Bank war vorhanden), wurde der Hügel als Nachtlager endgültig erwählt. Alsbald waren alle entweder emsig mit der Zubereitung der Abendmahlzeit (Matzes Kartoffelsuppe samt den bereits erwähnten Würsten) oder aber mit der Beschaffung von Unmengen an Holz beschäftigt, aus dem Micha ein „dezentes Feuerchen“ machen wollte. Dies gelang dann auch nach einigen Mühen – jeder der den Micha (Unterart Feuer-Bilch) auch nur ein wenig kennt weiß, dass das Holz eine Restfeuchte von über 100% gehabt haben muss. Wie dem auch sei – ein Feuerchen kam in Gang, was auf dem Hügel mit Aussicht, aber eben auch Zugluft, sehr angemessen war. Über den Rest des Abends sei verraten, dass die Vernichtung von Kaltgetränken weiter ging, die Grüße der Spirituosenkunst aus dem Vogtland meiner Meinung nach keinem Vergleich mit denen Karl Bechers aus Karlsbad standhielten und dass es durchaus auch emotionale Momente der stillen Einkehr bei einer solchen Veranstaltung geben kann.

Über den nä. Morgen sei soviel erwähnt, dass es nach einer zugigen Nacht nicht wesentlich weniger zugig weiterging, so dass man nach der Einnahme eines opulenten Frühstücks (natürlich mit Wachtelei, Kaviar, Hellerauer Marktsemmel und allem pipapo) auf ging zur Königsetappe. Diese führte vorbei an Schneefeldern über Seelandschaften gleichenden Wegen durch mehr oder weniger idyllische Dörfchen des böhmischen Mittelgebirges. Zwischendurch musste der Bilch dem Kletter-Präfix seines Gattungsnamens alle Ehre machen und einen Basaltkegel [namens ??? Holý vrch (574 m.n.m.) ] besteigen, von dem es zugegebener Maßen eine recht imposante Aussicht gab. Auch der Regenguss, der den Abstieg ein wenig glitschig werden lies, war nicht weniger imposant. Weiter gings durch einige Ortschaften, wo leider die Hoffnung auf ein zünftiges und vor Allem offenes tschechisches Wirtshaus leider bitter enttäuscht wurde (immerhin gab es einen kleinen Laden, in dem die Vorräte flüssiger und fester Nahrung wieder aufgefrischt werden konnten), in Richtung des Sedlo, der als Etappenziel erwählt war. Da der Bilch und erst recht ich im zeitigen Frühjahr kurz nach der Winterruhe noch nicht im Vollbesitz der Kräfte waren, reichte es nur bis zum kleinen Geschwisterchen, dem Malé Sedlo (534 m). Eventuell lag es auch daran, dass wir zwischendurch „ehrenamtliche Forstarbeiter“ leider erfolglos aus einer etwas misslichen automobilen Zwangslage befreien wollten und dort diverse Kräfte im lehmigen Untergrund versenkten (die Experten waren recht optimistisch in einen Waldweg eingefahren – vermutlich stecken sie heute noch dort). Kurz vor dem Male Sedlo hatten wir noch eine niegelnagelneue Wanderer-Rasteinrichtung entdeckt (sehr robust, mit Dach und aber leider recht verkehrsgünstig), so dass sich ein kleiner basis-demokratischer Prozess ob der Festlegung des abendlichen Rastplatzes entspann. Mit knapper Mehrheit wurde die extra für uns errichtete Rasteinrichtung gewählt, so dass sich der Bilch dort vorübergehend häuslich einrichtete. Abendessen bestand diesmal aus einem 3-Gänge-Menü (Spargelsuppe, Penne Arrabiata, Süßgebäck), wie üblich bei Feuerschein. Diesmal musste sich Micha nicht ganz so abrackern. Die Bau-Bilche verwandelten mit Hilfe diverser Planen den Rastplatz in ein halbwegs wettergeschützes Gebilde, so dass einer leidlich trockenen Nacht nicht viel im Wege stand. Anzumerken ist, dass der Bilch nicht wie andere Unterarten der menschlichen Gattung am Wochenende auf Tischen tanzt, sondern vorzugsweise darunter, daneben oder eben auch darauf schläft.

Nach einem weiteren opulenten Frühstück und dem Rückbau des Rastplatzes sowie weiterer Aufräumarbeiten wurde der echte Sedlo erklommen (Sedlo, früher auch Vysoky Jeleč, deutsch Geltschberg bzw. Hoher Geltsch, 726 m, ist der höchste Berg im rechtselbischen Böhmischen Mittelgebirge) – man stellte mit ein wenig Bedauern fest, dass das auch keine schlechte Bleibe gewesen wäre. Der Weg hinauf und dann auch herunter war wie schon erwähnt immernoch sehr rutschig, so dass der Eine oder Andere – auch der Last des Gepäcks geschuldet – ins Rutschen kam, ohne dass es allerdings bleibende Schäden an Mensch und Material gab. Da die Zeit doch recht fortgeschritten war, wurde eine (diesmal echte) Abkürzung der Route beschlossen und der Bahnhof von Liběšice (deutsch Liebeschitz) angesteuert mit der Idee, Litomerice noch einen Besuch abzustatten. Das Wetter präsentierte sich nach den langen Monaten der Dunkelheit von seiner sonnigsten Seite, so dass der Bilch (und auch ich) die – sagen wir leicht verschmutzte – Wanderkluft ablegte, sich stadtfein machte und aus Sicherheitsgründen die Reste des Eierlikörs seiner natürlichen Bestimmung zuführte. Nach einer kleinen Begehung von Leitmeriz und der Gewöhnung an die Raubvogelbeschallung des Marktplatzes wurde eine Freiluftkneipe auserkoren, die zwar leider kein totes Wild mehr hatte, aber trotzdem schmackhaftes Essen und kühle Getränke auftischte. So gestärkt traten wir dann am Sonntag abend mit der Bahn die Heimreise gen Dresden an.

Was ich mich auf großen Teilen der Tour nebenbei so fragte: In Anbetracht der mitgeführten Kulinarik – was um Himmels willen passiert im Gourmetbiwak?

Dirk
Dresden, 03. Juni 2013

PS: Das in diesem Bericht erwähnte Holz, welches einer thermischen Reaktion zugeführt wurde, war bereits tot – das mitgereiste Fachpersonal stellte sicher, dass keinerlei lebende Gewächse zu Schaden kamen (Tiere auch nicht – zumindest nicht durch uns)

der Wegverlauf:

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